Es ist Sommer, und bei Sellwerk in Düsseldorf steht das SEA-Produkt- und Sales-Training für die Verkäufer aus den Verlagen Schwann und Plückebaum an. Wie bei den Rheinländern üblich ist das Team gut gemischt, neben neuen Talenten sind auch ein paar „alte Hasen“ dabei, die ihr Wissen auf den aktuellen Stand bringen wollen.
Viele Interessen, ein Ziel
Sales Trainings bewegen sich in einem besonderen Spannungsfeld. Drei Interessengruppen sind beteiligt und wollen berücksichtigt werden. Da sind zunächst die Teilnehmer, in diesem Fall die Verkäufer. Sie mögen Produkte, die viel Umsatz bringen – aber auch schnell, und möglichst einfach, zu verkaufen sind. Idealerweise sind sie an dem Training interessiert, weil sie verstanden haben, dass ihnen die dort präsentierten und eingeübten Vorgehensweisen viel Zeit auf dem Weg zum Verkaufserfolg sparen können.
Manche sind aber auch einfach nur da, weil sie da sein müssen.

Das Unternehmen hat das Training gebucht, um seine Mitarbeiter mit neuen Fähigkeiten auszustatten – im Sales-Bereich oft auch, um scheinbar Vergessenes wieder in den Fokus zu bringen. Es will als Arbeitgeber, dass sich die Investition in das Training so schnell wie möglich bezahlt macht. Deshalb möchte man die Verkäufer so kurz wie möglich aus dem aktiven Vertrieb nehmen, denn in Trainings verdienen sie zunächst kein Geld. Das bedeutet: Viel Wissen soll in möglichst kurzer Zeit vermittelt werden.
Der Trainer muss als Katalysator das Vorhandene aufgreifen und diese Interessen unter einen Hut bringen. Er sorgt dafür, dass die Erwartungen des Unternehmens erfüllt werden. Gleichzeitig will er sicherstellen, dass die Teilnehmer das Training mit dem für das Trainingsziel notwendigen Wissen und Fähigkeiten verlassen. Und natürlich sollen sie motiviert in den Verkaufsalltag gehen.
Insbesondere dann, wenn sich die trainierten Produkte deutlich vom sonstigen Produktportfolio unterscheiden, ist das für den Trainer eine hochinteressante Herausforderung. Der Aufwand für die Verkaufsgespräche ist höher, was den Interessen der Verkäufer (viel Umsatz, schnell & einfach, siehe oben) nicht immer entspricht. Fakt ist: Beim Verkauf hochwertiger Online-Marketing-Produkte durch Adressbuchverlage treffen zwei Vertriebskulturen aufeinander. Darüber habe ich auch in diesem Post schon geschrieben.
Diese drei Beteiligten können ihre Erwartungen und ihr Verhalten verändern, um gemeinsam zum erfolgreichen Endergebnis beizutragen. Aber es gibt noch einen vierten Beteiligten, der nicht von den anderen drei beeinflusst werden kann. Dabei handelt es sich um die Rahmenbedingungen, in diesem Fall das Öko-System des Online-Marketing. Das entwickelt sich zwar bekanntermaßen ständig weiter. Aber dessen Spielregeln – beispielsweise die Art, wie Google Relevanzsignale bewertet, oder die Funktionsweise von Google AdWords – lassen sich nicht, mit dem Ziel eines vermeintlich leichteren Verkaufs, außer Kraft setzen. Auch innerhalb dieses Rahmens muss der Verkauf der ADwerk-Produkte von Sellwerk funktionieren.
Don’t Kill The Messenger – oder Der Trainer als Projektionsfläche
Aus meiner Sicht ist es unrealistisch zu erwarten, dass jede(r) Trainingsteilnehmer*in sich der oben beschriebenen Situation bewusst ist. Für Trainees steht zunächst nur eine Frage im Fokus: „Wie kann ich das verkaufen?“ Eine hohe Themenfrequenz bedeutet Stress für alle Beteiligten, und Menschen haben naturgemäß unterschiedliche Wege, damit umzugehen. Als Trainer muss ich mir darüber im Klaren sein, dass ich als Ausführender vielleicht auch für die Stressoren verantwortlich gemacht werde, die eigentlich vom Teilnehmer selbst eingebracht werden.
Das ist Trainer-Alltag, und weil ich meine Position der Wertschätzung gegenüber jedem einzelnen Teilnehmer nicht verlasse, regelt sich das in den allermeisten Fällen im Trainingsverlauf von selbst. Oft ist auch das Sozialverhalten der gesamten Teilnehmergruppe ein weiterer, de-eskalierender Faktor. Aber es gibt Ausnahmen, so wie in diesem Training, in denen die bewährten Mittel an ihre Grenzen stoßen.
Wenn die bewährten Werkzeuge nicht ausreichen
Dieses Mal kommt ein Teilnehmer schon sichtlich emotional geladen ins Training und trägt auf verbale und nonverbale Weise seine Stimmung ins Team, inklusive abfälliger Bemerkungen über Training und Trainer. Getreu dem Motto „Don’t Feed The Troll“ lasse ich mich davon nicht provozieren… aber die negative Auswirkung auf die Stimmung im Training ist deutlich wahrnehmbar. Und ich bin nicht die Art Trainer, die das ignorieren wollen und können.
Ich arbeite im Tagesverlauf immer mit regelmäßigen Frage-Antwort-Runden zu den gerade vorgestellten Themen. Einerseits sollen diese das Wissen festigen. Andererseits zeigen sie auf, an welchen Stellen der Trainer nochmal nachlegen bzw. tiefer einsteigen muss, bis er das Team in die nächste Stufe mitnehmen kann. In den allermeisten Fällen kommen so alle Teilnehmer auf den benötigten Kenntnisstand. Gelegentlich gibt es aber auch Verkäufer, die noch nicht so weit sind, die sich außergewöhnlich schwertun. Selbst einfachste Fragen werden entweder gar nicht, oder so absurd falsch beantwortet, dass ich als Moderator sicherstellen muss, dass mit dem Teilnehmer, und nicht über ihn gelacht wird.
Ein klares Signal, dass hier trainingsseitig mehr Zeit in Informationen, eventuell auch aus einer anderen Perspektive, investiert werden muss. Meist funktioniert das – aber in einem kleinen Prozentsatz kann es auch passieren, dass dem Teilnehmer die notwendige Fähigkeit zur Selbstreflexion fehlt. Dan kann es sogar so weit gehen, dass das Training und / oder der Trainer für den aktuellen Misserfolg verantwortlich gemacht werden.
Dem Gesamterfolg des Teams verpflichtet
In solchen Fällen muss der Trainer die Balance zwischen den Bedürfnissen einzelner und des gesamten Teams finden. Da sich die meisten Menschen mit „öffentlichen“ Korrekturen vor dem Team an ihre Schulzeit erinnert fühlen, lege ich so etwas ab einer bestimmten (sehr stark von der Stimmung und dem Kenntnistand des gesamten Teams beeinflussten) Stufe in ein Vier-Augen-Gespräch.
Und wenn dieses erste Gespräch keine Änderung bringt? Als Trainer verfüge ich zwar über genug Erfahrung und Intuition, um eine Meinung über dieses Verhalten zu haben. Als Gast-Trainer in einem Unternehmen fehlt mir jedoch das Hintergrundwissen, um solche Reaktionen in den tatsächlich Gesamtkontext der jeweiligen Mitarbeiter-Persönlichkeit einordnen zu können. Daher ziehe ich in solchen Fällen Führungskräfte hinzu, die die individuellen Hintergründe besser einschätzen können.
Letzten Endes konnte ich auch dieses Training zu einem positiven Abschluss bringen. Auch das mündliche Feedback der anderen Teilnehmer bestätigt dies. Dennoch bin ich froh, dass ich solche Situationen selten erlebe. Und ich denke an einen Satz, den mir ein Trainer, von dem ich sehr viel gelernt habe, zu Beginn meines Weges mitgegeben hat:
„Das erste, von dem man sich als Trainer verabschieden muss, ist der Wunsch, von allen geliebt zu werden.“
Ein Satz, den mir später viele andere erfolgreiche Trainer bestätigt haben. Ich gebe zu: Es würde mir sicherlich gefallen, wenn mich alle mögen würden. Aber es ist nicht meine Aufgabe, „Everybody’s Darling“ zu sein. Meine Aufgabe ist es, Menschen dabei zu unterstützen, erfolgreich zu sein.
Dieses Ziel, und die Wertschätzung für die Trainees, bestimmen sowohl mein Handeln als Trainer, als auch mein Handeln als Mensch. Und ich bin jederzeit bereit, für dieses Ziel meine eigene Komfort-Zone zu verlassen… und auch die Trainees, die mir ihr Vertrauen schenken, beim Verlassen ihrer Komfort-Zone zu begleiten.